Interview: Ein deutscher Unternehmer über Sorgen, Ängste und Zukunftsaussichten

Heute wollen wir unsere lose Serie selbst&ständig mal wieder fortsetzen. Diesmal haben wir einen mittelständischen deutschen Unternehmer nach seinen Sorgen, Ängsten und Zukunftsaussichten befragt. Der Unternehmer möchte gern anonym bleiben.

Verbraucher-Tipps.com: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns über Ihre Perspektiven als Unternehmer zu sprechen. Wie würden Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Deutschland aus Ihrer Sicht beschreiben?

Unternehmer: Gerne. Ich würde sagen, die Lage ist ambivalent. Auf der einen Seite haben wir immer noch eine starke Wirtschaftsstruktur, die uns Stabilität gibt, aber auf der anderen Seite gibt es viele Unsicherheiten. Energiepreise, Lieferkettenprobleme und der Fachkräftemangel setzen vielen Betrieben – auch meinem – stark zu. Es fühlt sich an, als würde man permanent improvisieren müssen, statt strategisch zu planen.

Können Sie genauer erläutern, welche Herausforderungen Sie persönlich in Ihrem Unternehmen spüren?

Die Energiepreise sind für uns ein riesiges Problem. Wir betreiben eine mittelständische Produktionsfirma, und unsere Maschinen laufen rund um die Uhr. Als die Energiepreise im letzten Jahr explodiert sind, mussten wir teilweise auf Nachtschichten verzichten, um Stromkosten zu sparen. Gleichzeitig können wir diese Kosten nur bedingt an unsere Kunden weitergeben, weil die Konkurrenz groß ist.

Ein weiteres Thema ist die Lieferkette. Rohstoffe kommen oft verspätet oder sind plötzlich teurer als kalkuliert. Das zwingt uns dazu, ständig neu zu verhandeln und teilweise höhere Preise zu akzeptieren, die unsere Marge auffressen.

Und wie sieht es beim Thema Fachkräfte aus?

Katastrophal, ehrlich gesagt. Wir suchen seit Monaten nach qualifizierten Mitarbeitern, aber der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Junge Menschen scheinen kaum noch Interesse an handwerklichen oder technischen Berufen zu haben, und erfahrene Kräfte gehen in den Ruhestand. Gleichzeitig steigen die Ansprüche: flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, höhere Löhne, Work-Life-Balance. Das ist alles irgendwie nachvollziehbar, aber für kleinere Betriebe nicht immer realisierbar.

Die Innovationskraft macht mir Hoffnung

Gibt es etwas, das Ihnen Hoffnung macht?

Ja, die Innovationskraft. Trotz aller Widrigkeiten sehe ich in vielen Unternehmen – auch bei uns – eine beeindruckende Anpassungsfähigkeit. Wir haben zum Beispiel begonnen, in effizientere Maschinen zu investieren und unsere Produktion stärker zu automatisieren. Außerdem sind unsere Kunden sehr loyal. Viele schätzen die Qualität und Zuverlässigkeit, die wir bieten.

Wie blicken Sie auf die nächsten fünf bis zehn Jahre?

Das ist schwer zu sagen. Ich mache mir Sorgen, dass der Druck durch Regulierung und Bürokratie weiter zunimmt. Allein die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele erfordert riesige Investitionen, die viele kleinere Betriebe nicht stemmen können. Gleichzeitig sehe ich in der Digitalisierung eine große Chance, Prozesse effizienter zu gestalten und neue Märkte zu erschließen.

Was mich aber wirklich beunruhigt, ist die geopolitische Lage. Der Krieg in der Ukraine, die Spannungen zwischen China und den USA – das alles hat direkte Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Ich hoffe, dass die Politik bald Lösungen findet, um wieder mehr Stabilität zu schaffen.

Weniger Bürokratie ist wünschenswert

Welche Unterstützung würden Sie sich von der Politik wünschen?

Weniger Bürokratie wäre ein Anfang. Es dauert oft Monate, bis Genehmigungen erteilt oder Fördermittel ausgezahlt werden. Das ist nicht zeitgemäß. Außerdem sollte man kleine und mittelständische Unternehmen stärker entlasten – sei es durch steuerliche Vorteile oder durch gezielte Förderprogramme.

Ein weiteres Thema ist die Bildung. Wir brauchen eine bessere Ausbildung, die junge Menschen auf die Herausforderungen der Arbeitswelt vorbereitet. Und ich meine nicht nur die klassischen Berufe, sondern auch technologische und nachhaltige Kompetenzen.

Was raten Sie anderen Unternehmern, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben?

Austausch ist unglaublich wichtig. Netzwerken Sie mit anderen Unternehmern, suchen Sie Verbände oder Initiativen, die Ihnen Unterstützung bieten können. Manchmal ergeben sich dabei auch Kooperationsmöglichkeiten, die einem durch schwierige Zeiten helfen.

Außerdem sollten Sie sich nicht scheuen, neue Wege zu gehen. Ob Digitalisierung, Automatisierung oder nachhaltige Geschäftspraktiken – es ist wichtig, offen für Veränderungen zu bleiben. Und zuletzt: Verlieren Sie nicht den Mut. Unternehmer zu sein, bedeutet immer auch, mit Unsicherheiten umzugehen.

Vielen Dank für das Gespräch. Sie haben uns interessante Einblicke gegeben, und wir wünschen Ihnen und Ihrem Unternehmen alles Gute für die Zukunft.

Ich danke Ihnen. Es ist wichtig, dass solche Themen angesprochen werden, damit die Herausforderungen der mittelständischen Wirtschaft in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Bild von Lukas Prudil auf Pixabay

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