Frugalismus: Darf's ein bisschen weniger sein – zumindest vorerst?

Frugalismus: Darf's ein bisschen weniger sein – zumindest vorerst?

Viele Menschen stellen sich die Frage, ob der Hauptinhalt ihres Lebens wirklich darin bestehen sollte, Tag für Tag arbeiten zu gehen und nebenher vielleicht ein bisschen zu sparen, um sich später die eine oder andere größere Anschaffung leisten oder ein wenig Luxus gönnen zu können. Einige von ihnen entscheiden sich, möglichst früh aus dem alltäglichen „Hamsterrad“ des Erwerbslebens auszusteigen und damit nicht erst bis zur Rente zu warten. Unter dem Schlagwort „Frugalismus“ ist dies in den vergangenen Jahren zu einem regelrechten Trend geworden, der immer mehr Menschen in seinen Bann zieht. Doch was genau hat es damit auf sich, und wie soll das Ganze konkret funktionieren?

Finanzielle Unabhängigkeit durch Frugalismus

Wer sich nicht Tag für Tag ums Geldverdienen kümmern müssen will, aber auch niemandem auf der Tasche liegen möchte, braucht ein Mindestmaß an finanzieller Unabhängigkeit. Diese lässt sich grundsätzlich auf zwei unterschiedlichen Wegen erreichen, mit denen sich jeweils unterschiedliche Lebensstile verbinden. Die eine Möglichkeit, die von verschiedenen Finanz-Ratgebern beschrieben wird, fokussiert sich darauf, von den Erträgen des eigenen Vermögens leben zu können. Durch den Aufbau eines entsprechenden Vermögens und das Erzielen von ausreichend hohen Einkünften aus Zinsen, Dividenden oder Mieteinnahmen soll gewährleistet werden, dass die Finanzierung des eigenen Lebensunterhalts nicht mehr von einer Erwerbstätigkeit abhängt. Dabei gilt, je anspruchsvoller und aufwendiger der individuelle Lebensstil, desto größer das dafür benötigte Vermögen. Dieser Gedanke steht bei Frugalisten jedoch nicht im Vordergrund. Sie entscheiden sich für den zweiten Weg zur finanziellen Unabhängigkeit, der Sparsamkeit, Vorsorge und Vermögensaufbau miteinander kombiniert. Frugalisten schränken sich in der Gegenwart ein, um sich in der Zukunft möglichst unbeschwert von finanziellen Sorgen denjenigen Dingen widmen zu können, die ihnen im Leben wirklich wichtig sind.

Sparsam, aber nicht knickerig

Das führt mitunter zu einigen Missverständnissen, wenn sie etwa als genussunfähige Sparfüchse oder Geizhälse betrachtet werden. Genau dieses Bild wird echten Frugalisten allerdings nicht gerecht, denn das Sparen ist für sie ja kein Selbstzweck, sondern nur ein Weg zu ihrem Ziel, einem bescheidenen, aber glücklichen und erfüllten Leben in finanzieller Unabhängigkeit. Das Adjektiv „frugal“ steht für einfach und bescheiden, allerdings nicht im Sinne von primitiv, sondern eher als Gegensatz zu üppig oder aufwendig. Häufig wird das Wort zur Charakterisierung von Mahlzeiten oder Ernährungsweisen verwendet, worauf übrigens schon sein Ursprung im lateinischen „frugalis“ hindeutet, was nichts andere bedeutet als „zu den Früchten gehörend“. Ein frugales Mahl ist insofern keine karge Mahlzeit, die vom Mangel bestimmt wird, sondern ein einfaches, aber gleichwohl gutes, wohlschmeckendes und nahrhaftes Essen.

In ziemlich genau dieser Bedeutung wird der Begriff auch auf die Bezeichnung des entsprechenden Lebensstiles übertragen. Frugalisten hungern weder noch fehlt es ihnen an notwendiger Kleidung und Ähnlichem. Allerdings schränken sie ihren Konsum bewusst an jenen Stellen ein, wo ihnen die Opportunitätskosten des gegenwärtigen Verbrauchs als zu hoch erscheinen, wenn sie sie mit den sich später aus heutigem Verzicht ergebenden Möglichkeiten vergleichen. In der Regel sind Frugalisten daher auch nicht arm im materiellen Sinne, sondern haben häufig durchaus ein gutes, oft sogar überdurchschnittliches Einkommen, das sie aber zum größten Teil eben nicht ausgeben, sondern für später zurücklegen. Sparquoten von bis zu 70 Prozent des laufenden Einkommens sind dabei durchaus keine Seltenheit.

Frugal: Sparsam, aber nicht knickerig

Historische Vorbilder von Thoreau bis Adeney

Die Sehnsucht nach einem Leben, das sich vom allgemeinen Konsumverhalten weitgehend entkoppelt und auf das Nötigste beschränkt, um auf diese Weise eine größere Unabhängigkeit zu erlangen, ist nicht ganz neu. Ein berühmtes Beispiel dafür ist der amerikanische Philosoph und Schriftsteller Henry David Thoreau, der sich im 19. Jahrhundert in eine kleine Blockhütte im Wald zurückgezogen hatte, um dort ganz nach seinen eigenen Vorstellungen zu leben. Heutigen Frugalisten dürfte allerdings eher ein prominentes Beispiel aus der Gegenwart präsent sein, der kanadische Blogger und Frugalismus-Aktivist Peter Adeney. Unter seinem Nicknamen Mister Money Mustache gibt er seine Tipps und Erfahrungen schon seit vielen Jahren in Blockbeiträgen und Videos weiter. Darin zeigt er seinen Anhängern auf, wie man sich vielleicht schon mit 40 oder 50 Jahren aus dem Berufsleben zurückziehen und ganz den „wirklich wichtigen Dingen“ des Lebens widmen kann, worin diese im individuellen Einzelfall auch immer bestehen mögen.

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Weniger ist erstmal mehr

Praktisch umsetzen lässt sich das frugale Lebenskonzept vor allem dann, wenn man einen relativ gut bezahlten Beruf nachgeht, der es einem erlaubt, bis zum geplanten Ausstieg aus dem Berufsleben wenigstens eine mittlere sechsstellige Summe anzusparen. Dazu bedarf es einerseits einer klugen Auswahl von Anlageprodukten, die eine gewisse Rendite bei überschaubaren Risiken erzielen. Andererseits gilt es, alle laufenden Konsumausgaben auf das wirklich als notwendig Erachtete zu beschränken. So werden beispielsweise Möbel oder Kleidung häufig aus zweiter Hand, Lebensmittel hingegen möglichst in Großpackungen gekauft. Wer die Gelegenheit hat, bereichert seinen Speiseplan durch selbst angebautes Obst oder Gemüse. Statt der 120-Quadratmeter-Wohnung reichen dann eher zwei Zimmer auf vielleicht 60 Quadratmetern, und statt eines in der Anschaffung ebenso wie im Unterhalt teuren Autos werden das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel genutzt. Ist die Motivation stark genug und wird wirklich konsequent gespart, dann lässt sich mit einem solchen Lebensstil der Ausstieg aus dem Beruf tatsächlich deutlich vor das eigentliche Rentenalter verlegen. Die einmal eingeübte Bescheidenheit gilt es dann jedoch auch für den Rest des Lebens beizubehalten.

Fotos: pixabay.com

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