Der 11.11. ist allseits bekannt als Faschings- bzw. Karnevalsbeginn. Im christlichen Glauben wird am Martinstag aber zuallererst dem heiligen Martin gedacht. Im österreichischen Burgenland ist der heilige Martin der Landespatron, weshalb ihm zu Ehren, besonders für Weinliebhaber interessante Veranstaltungen, wie das Martiniloben, stattfinden und der Tag ein gesetzlicher Feiertag ist.
Rund um dieses Datum gibt es in den Gaststätten in Österreich und Deutschland zahlreiche kulinarische Angebote, wie die traditionelle Martini- oder Martinsgans. In Österreich wird diese Tradition unter dem Begriff „Ganslessen“ zusammengefasst – ein jährlich wiederkehrender, seltener kulinarischer Genuss mit klassischen Beilagen wie Rotkraut und Semmel- oder Kartoffelknödel, der gerne im Kreise der erweiterten Familie zelebriert wird.
Zusätzlich gibt es weitere, weiterhin großflächig verbreitete Bräuche wie Martinsfeuer, den Martinszug und das Martinssingen, die meist auf heidnisches, also vorchristliches, Brauchtum zurückgehen. Grund genug, die Kenntnisse aus Kindertagen rund um diese Tradition etwas aufzufrischen.
Wer war der heilige Martin?
Der heilige Martin von Tours war der Legende nach gegen seinen Willen zum Bischof geweiht worden und der Martinstag (in Österreich und Bayern auch einfach „Martini“) erinnert an seine Grablegung am 11.11.397. Er wurde vom Volk schon sehr früh nach seinem Tod wie ein Heiliger verehrt. Formelle Selig- und Heiligsprechungen gibt es jedoch erst ab dem 11. Jahrhundert. In Frankreich wurde er aber bereits unter König Chlodwig (481-511) als eine Art Nationalheiliger geschätzt. Der historische Martin wurde 316 im Gebiet des heutigen Ungarns geboren und trat auf Wunsch seines Vaters in die römische Armee ein, wodurch es ihn nach Frankreich führte. Im Jahre 371 wurde er zum Bischof gewählt.
Zahlreiche Erzählungen erinnern bis heute an ihn. Diese kamen aber zum Großteil erst im 16. Jahrhundert auf und erklärten als sogenannte Sekundärlegenden das bereits bestehende Brauchtum im Nachhinein.
Martin von Tours wird in der wohl bekanntesten Legende als stets mildtätiger Mann beschrieben. Als er nach Tours an einem äußerst kalten Tag einreiste, begegnete ihm ein Bettler, der stark fror. Martin zögerte nicht lange und teilte seinen eigenen Mantel mit dem Schwert und gab dem Bettler das Stück Stoff, um sich zu wärmen.
Was hat es mit der Gans auf sich?
Die bekannteste Legende berichtet uns, dass Martin wohl ein sehr asketisches und bescheidenes Leben führte. Er fühlte sich aus diesem Grund unwürdig für das hohe, an ihn herangetragene Amt des Bischofs und versteckte sich in einem Gänsestall. Die Gänse verrieten ihn jedoch durch ihr Geschnatter und so erfolgte seine Weihe entgegen seinem Wunsch.
Nach einer anderen Erzählung wurde er durch eine List überführt. Ein Bauer bat Martin um Hilfe für seine kranke Frau. Der stets hilfsbereite Martin folgte dem Bauern in schmutziger Kleidung (wie von einem Gänsestall herrührend) und musste so sein Versteck aufgeben.
Eine weitere Legende besagt, dass Gänse ihn bei einer Predigt durch ihr Geschnatter störten, weshalb diese gefangen und gegessen wurden.
Welche vorchristlichen Ursprünge hat die Tradition des Ganslessens?
Es gibt hier zwei wichtige Verknüpfungen. Zum einen gab es um diese Zeit im Jahr häufig Schlachtfeste zur Erntezeit. Zum anderen war es ein wichtiger Markierungspunkt im Bauernjahr, denn rund um dieses Datum waren die Zahlungen der Löhne, Zinsen und Pachten fällig. Die Knechte erhielten als Bonus oft eine Gans.
Da die karge Winterzeit anstand, war es damals notwendig, die Zahl der Gänse, die wohl auch als eine Art Wachtiere eingesetzt wurden, zu reduzieren, weshalb sie verzehrt wurden.
Woher kommen die Lichterprozessionen?
„Ich geh‘ mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir“ – dieses Kinderlied ist uns wohl allen noch geläufig. Kinder liebten und lieben die Lichterprozessionen rund um Martini. Das Basteln der eigenen Laterne und der Stolz mit dieser am Umzug teilzunehmen, ist eine wunderbare Kindheitserinnerung, die ewig anhält.
Auch diese Umzüge haben einen vorchristlichen Ursprung wie anderen Feuer- und Lichterbräuche. Diese sollten böse Geister fernhalten und Fruchtbarkeit bringen. Beim Sprung mit dem/der Liebsten über ein Feuer sollten für das folgende Jahr Gesundheit und Wohlstand gesichert werden. Die Kirche veranstaltete später die Martinsfeuer in der Nähe der Dorfkirche als Konkurrenzveranstaltung, die göttlichen Segen versprach und ebenfalls vor Dämonen schützen sollte.
Was ist beim Genuss der Martinsgans zu beachten?
Martinsgänse stammen teilweise aus Ungarn, Polen oder sogar China und werden dort häufig unter schrecklichsten Bedingungen gehalten. Diese tierquälenden Verfahren, wie Stopfmast und Lebendrupf, sind zwar bei uns verboten, die Gänse aus solchen Haltungsformen können jedoch importiert werden und kommen so auf unsere Teller.
Wer beim jährlichen Gänsenuss heuer ohne schlechtes Gewissen und mit mehr Respekt vor dem Tier genießen möchte, sollte deshalb unbedingt auf die regionale Herkunft seiner Gans, auf Weidehaltung und Bioqualität achten oder auf vegetarische Alternativen umsteigen.
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Daniela wurde 1986 in Wien geboren und arbeitet seit ihrem wirtschaftswissenschaftlichen Studium im Personalwesen. Aufgrund ihrer Freude an Literatur und der deutschen Sprache studierte sie zusätzlich Deutsche Philologie. Sie liebt Texte aller Art und schreibt neben sachlichen Business-Texten auch kreative und literarische Texte sowie über Alltags- und Verbraucherthemen.